Presse VS Publisher – Wer hat den Längeren?

Schon der dunkle Lord sagte „Möge die Macht mit Dir sein!“ – Doch mit wem genau?

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In der Videospielbranche geht es ums Geld. Um viiiel Geld. Es Die einen verdienen es indem sie besagte Spiele entwickeln und verkaufen, andere wiederum indem sie darüber berichten. Exekutive und Legislative, quasi… oder so ähnlich. Beide befinden sich in einer abhängigen Beziehung zueinander, die manchmal offensichtlich dazu führt, dass eine Partei die Muskeln spielen lässt.

Es war einmal ein Skandal…

Im Jahre 2007 war der dicke Spielejournalist Jeff Gerstmann eines der Aushängeschilder der amerikanischen Gamingseite Gamespot. Als er jedoch das damals neu erscheinende Spiel Kane and Lynch: Dead Men mittelmäßig bewertete, übte der Publisher Eidos Interactive starken Druck auf Gamespot aus, drohte mit weniger geschalteter Werbung und forderte eine Neubewertung. Es folgte ein Streit, der Gerstmann den Job kostete und zu einem weniger kritischen Bericht samt besserer Wertung führte. Von diesem Imageschaden hat sich die Seite nie mehr wirklich erholt und zeigt bis heute, dass ein derartiges Abhängigkeitsverhältnis oftmals kontraproduktiv ist.

Auch heute, im Jahre 2016 ist ausgeübter Druck, mal indirekt, mal etwas direkter nach wie vor an der Tagesordnung. Webseiten erwarten im Gegenzug für positive Berichterstattung und Aufhypen der potentiellen Käufer nicht nur massig Werbeeinnahmen, sondern auch eine Vorzugsbehandlung mit schönen Betriebsreisen zu schwedischen Entwicklern, teuren Sammlerschnickschnack und exklusivem Bildmaterial auch das Offensichtlichste: eine Vorabkopie! Und auch Webseiten sind dem Ausüben ihrer Macht nicht abgeneigt.

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Will man doch die eigene Leserschaft und googelnde Weltbevölkerung möglichst schnell mit einem Test auf das eigene Internetportal locken, doch ohne eine verfrühte Testversion ist das leider nicht möglich. Warum sollte man als Entwickler oder Publisher auf diese doch simple Möglichkeit verzichten wollen, Redakteure und testenden Schreiberlinge milde zu stimmen?

Gute Frage, die Bethesda Softworks, die Macher von Fallout 4 und der Elder Scrolls Reihe damit beantworten, dass sie keine verfrühten Exemplare mehr an Tester rausschicken, damit alle, auch professionelle Spielejournalisten zeitglich und ohne Beeinflussung von außen die neuen Titel zeitgleich erleben können. Ohne Spoiler, ohne Spaßverderber und vorgefertigte Meinungen. Zeitgleich empfehlen die Rollenspielexperten, man solle nötigenfalls auf ein Review der Seite des Vertrauens warten, bevor man sich für oder gegen einen Kauf entscheidet. Ist das eine gute Idee, eine fast schon revolutionär einfache? Oder reagiert Bethesda kindisch und will allen zeigen, wer das Sagen hat? Nötig haben sie es nicht, in irgendeiner Form beleidigt oder voreingenommen zu reagieren, werden die veröffentlichten Spiele aus ihrer Schmiede doch mehrheitlich positiv besprochen, teilweise sogar mit Preisen und „Spiel des Jahres“-Auszeichungen überhäuft. Was auch immer der wirkliche Grund für diese Entscheidung ist, es ist die Entscheidung von Bethesda.

Dürfen die das?!?

Doch wie reagiert die Presse darauf? Die meisten Seiten gingen mit der eben erwähnten Pressemitteilung überaus hart ins Gericht, hinterfragten die Motive, erklärten die eigene Wichtigkeit und das Käufer doch im Grunde zu blöd seien, ohne professionelle Zocker zu wissen, welches Spiel sie kaufen und spielen sollten. Mama und Papa streiten sich, und wir dümmlichen Kinder schauen verwirrt zu. Konstruktive Diskussionen haben noch nie geschadet, doch was passiert, wenn die Tester nun ein Spiel bewerten, bei dem sie keine Vorzugsbehandlung genießen durften? Diese Frage könnte nun IGN beantwortet haben.

The Elder Scrolls V: Skyrim ist eines der besten Rollenspiele aller Zeiten, wenn nicht sogar eines der besten Games überhaupt. Bei seinem Erscheinen wurde es in den Himmel gelobt und durchweg als Meilenstein des Genres gefeiert. Auch IGN vergab eine 9,5 und lobte die grandiose Spieleerfahrung. Das Gameplay bewertete der Redakteur mit 9,5 und die Langzeitmotivation sogar mit einer 10, einer perfekten Wertung. So weit so gut. Doch nun, fünf Jahre später kommt die Special Edition in den Handel, eine grafisch aufgehübschte Version, mit feinen Verbesserungen unter der Haube, die jedoch keinen großen Quantensprung bietet. Es ist und bleibt Skyrim, mit besseren Lichteffekten, Bäumen, physikalisch korrektem Wasser und den immer noch steifen Bewohnern einer atmebreaubenden Fantasywelt. Doch wie sieht man das bei IGN? Da sich der Kern des Spiels im Grunde so gut wie gar nicht verändert hat, müssten die ursprünglichen Qualitäten doch erhalten geblieben sein, oder? Naja, im Text bespricht man The Elder Scrolls V: Skyrim Special Edition überwiegend gut, bemängelt nicht ausgemerzte Fehler und kritisiert den Mangel an Innovation (Was offensichtlich bei der damaligen Nextgen-Portierung von GTA 5 nicht störte) und vergab eine 8. Also fiel die Bewertung von „Brillant“ auf „Gut“. Hmmh.

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Ist das eine Machtdemonstartion von IGN, die das Spiel zwar nicht schlecht bewerten, aber doch eine klare Klatsche in Richtung Bethesda senden? Eine fast 16% schlechtere Endnote, die unentschlossene Käufer ernüchtern und sogar abschrecken könnte ist ein Zeichen. Ein Faustschlag auf den Tisch.

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Wer sitzt am längeren Hebel und wer hat die dickeren Eier… lächerlich. Punktbewertungen sind ein Überbleibsel aus einer vergangenen Zeit und die Wichtigkeit von Spieleseiten und Metacritic-Verwurstungen ist unberechtigterweise viel zu gravierend. Beide Parteien sollten sich mal überlegen, ob diese unheilige Allianz nicht auf Dauer dem Medium schadet und Zocker langfristig vergrault. Spiele, die von drei großen Seiten abgefeiert werden und von der breiten Masse als eher mittelmäßig eingestuft werden stehen dann im Kontrast zu Spielen, die vielen Gamern Freude bereiten, aber in Ermangelung eines Rockstar-Logos nicht über eine Bewertung von 7,438 hinaus kommen. Albern.

Die Skyrim-Bewertung von IGN ist kein Skandal, noch nicht mal ansatzweise. Trotzdem sieht man mal wieder, dass man immer wachsam bleiben muss und auch liebgewonnene Medienvertreter stets kritisch hinterfragen sollte. Die Special Edition von Skyrim macht mir Spaß, vielleicht etwas weniger als die Originalversion von 2011, einfach weil ich es schon ausgiebig gezockt habe… aber machte es auf der Xbox 360 wirklich 15,79% mehr Freude?

Spaß und Hirn für alle!

OlliSignatur-1