Nachdem der berühmt-berüchtigte Videospielcrash von 1983 zu Ende ging, lag die gesamte Branche am Boden. Unzählige Firmen waren pleite und tausende unverkaufter Spielekassetten wurden in der brutzelnden Wüste von Nevada vergraben. Doch ein Newcomer wagte sich mutig in den Ring. Ein japanischer Spielzeughersteller, der vor hundert Jahren mit Spielkarten angefangen und in letzter Zeit Erfolge mit Spielautomaten feiern konnte, ein Konzern namens Nintendo. Und wenn ihr glaubt schon alles zum Thema Nintendo zu wissen, dann schnallt euch an, denn…
Eine eigene Heimkonsole mit austauschbaren Spielecartridges sollte den Markt bis heute revolutionieren, als der Nintendo Family Computer, kurz FamiCom Anfang der Achtziger in Japan auf den Markt kam. Nach nur kurzer Zeit war die kleine rot-weiße Kiste ein Riesenerfolg und stand innerhalb weniger Jahre in Millionen japanischer Haushalte. Der Sprung nach Europa und Amerika, mit einem neu designten, grauen Entertainment System, oder NES gelang ebenfalls mehr als erfolgreich. Der Rest ist Geschichte und ist, wie ich glaube, gut bekannt.
Weniger bekannt ist jedoch ein dubioses Add-On für das Famicom, ein kleiner Unterbau mit Disketten Laufwerk, das Family Computer Disk System, das Nintendo 1986 in Japan einführte. Es spielte eigens entwickelte Floppy Disk ab und bot neben zusätzlichen Spieleinhalten auch Speicherstände. Bis dahin arbeiteten die meisten Videospiele mit Highsores und Passwörtern, weil speicherbare Spieldaten eine eigene Batterie in der Cartridge benötigten und nicht sehr zuverlässig waren.
Außerdem konnte man so neue Software auf bereits gekaufte Disks aufspielen und so immer neue Spiele am heimischen Fernseher zocken. Eine kostengünstigere Alternative zum Neukauf von Titeln, da der Hersteller so keine Kassetten samt Hülle und Anleitung produzieren, sondern lediglich die Daten zum Download anbieten konnte. Aber wo lud man Spiele Mitte der Achtziger runter? War das Internet doch noch Zukunftsmusik.
Nintendo stellte überall im Land eigene Automaten auf, sogenannte Writer Kiosks, bei denen man gegen ein paar Münzen neue Spiele runterladen konnte. Es gab Portierungen populärer Titel, exklusive und sogar einige in 3D. Hier wurden einige Innovationen ausgetestet und im Pilotprojekt mit weniger Risiko unters Volj gebracht. Für Sammler haben die Disketten heute zwar durchweg noch Sammlerwert, doch wirklich bahnbrechendes für den Alltagsnerd gibt es nicht.
Die Grundidee hinter dem Kiosk ist aber doch echt Granate, oder? Spiele günstig auf einen Datenträger packen, durchzocken und Zack! das nächste holen. Für Sammler und Freunde schöner Artworks in Spielehüllen vielleicht keine Alternative, für Gamer mit engem Geldbeutel aber auf jeden Fall eine brillante Idee. Und ein Vorgänger moderner Downloads und Onlineshops. Zu einer Zeit vor Seasonpasses und Lootboxen mal eine nett gemeinte, Geldbeutelschonende DLC- Variante. Toll. Die Kioske waren in Japan äußerst beliebt und blieben teilweise sogar bis in dieses Jahrtausend in Betrieb.
Nintendo war eben immer innovativ und risikofreudig, was dieser bizarre Automat mal wieder verdeutlicht. Oft seiner Zeit voraus, ging der Konzern sogar manchmal zu weit. Doch in diesem Fall traf der Konzern den Nerv der Zeit, zumindest den der japanischen. Im Rest der Welt wurden die Writers Kiosks nie aufgestellt, was zwar schade, aber durchaus nachvollziehbar ist. In Japan ticken die Uhren und Interessen eben immer ein wenig anders. Ich glaube nicht, dass ein solches Konzept hier funktioniert hätte, höchstens in stark abgeänderter Version. Doch leider blieb uns im Westen jegliches Disk System vorenthalten, weshalb wir germanischen Gamer das Teil nur von Bildern oder aus Vitrinen irgendwelcher Spielemessen kennen dürften. Schade.
Würde Nintendo den eShop für Switch und 3DS besser nutzen und beispielsweise regelmäßiger mit schöner Retrokost versorgen, würde man dem Andenken des Writers Kiosk vielleicht etwas mehr Ausdruck und Respekt verleihen, indem man auch dessen Exklusivtitel zum Runterladen anbieten würde. Nintendo sitzt nach wie vor auf einem Berg ungenutzter Retromarken und… sorry… ich will einfach mehr (und günstigere) Virtual Console Titel auch unbekannterer Titel, verdammt! Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Ich gehe jetzt schnell noch zum benachbarten Kiosk und lade mir ein schönes Feierabendbierchen herunter. Bis dann, ihr Hüpfer!