Neben den ständigen Ausflügen ins Reich der Assassinen lässt uns der französische Publisher Ubisoft seit dem zweiten Teil der Reihe 2008 auch regelmäßig in einem neuen Far Cry Amok laufen. Aber macht das im bislang letzten Ableger noch Spaß?
Far Cry 2 spielte in einer offenen afrikanischen Spielwelt, Teil drei ließ uns auf einer tropischen Insel von der Leine und in Teil vier von 2014 ballerten wir uns durch ein fiktives Land im Himalaya. Stets folgte die Serie der bekannten Open World Formel von Ubisoft; Gebiete einnehmen, auf hoch gelegene Aussichtspunkte klettern, Upgrades freikaufen und Ressourcen zum Basteln aufspüren. Diese ist spätestens seit Assassin’s Creed 2 sehr gut balanciert und macht die offenen Spielwelten schnell zum spaßigen Chaos-Spielplatz. Doch zwischen dem dritten und vierten Teil machten sich Ermüdungserscheinungen breit und die schön gemachte Bergwelt von Kyrat konnte mich nicht mehr langfristig begeistern. Die Luft war raus. Aber als bekannt wurde, dass die Fortsetzung dieses Mal in der Steinzeit spielen sollte, ohne Hightechwaffen und fummelige Fortbewegungsmittel, wurde ich neugierig.
Erste Test ernüchterten mich jedoch ein bissel und ich wartete auf ein Schnäppchen. Nun habe ich ein solches erwischt und viele Stunden in die Welt von Fred Feuerstein gesteckt und muss sagen – es macht Laune.
Es ist Zeit… Steinzeit!
Die Grundformel ist wie eben erwähnt die alte, nur dass alles etwas grobschlächtiger daherkommt als sonst. Wir spielen Takka, einen Jäger des Stammes der Wenja, der zu Beginn als einziger den Angriff eines blutrünstigen Säbelzahntigers überlebt und fortan einen neuen Stamm aufbauen muss. Hierzu müssen wir neue Bewohner in unser frisch angelegtes Dorf holen, dies können wir durch kleine Rettungsaktionen in der freien Wildbahn oder durch Einnahme feindlicher Stellungen bewirken. Diese sind mal mehr, mal weniger schwierig zu bezwingen und bieten uns zeitgleich einen Rastplatz und Spawnpunkt beim Ableben. Außerdem können wir hier auch eine Schnellreisefuntion in Anspruch nehmen, die sich bei dieser großen Weltkarte als sehr praktisch erweist. Zusätzlich befreien wir Schamanen, große Krieger oder nehmen Führer gegnerischer Stämme gefangen und machen uns deren Knowhow zu Nutze.
Die Tierwelt ist bei Far Cry Primal auch nicht nur gefräßiges Beiwerk, dass uns bei jeder Gelegenheit attackiert. Wir können nach und nach immer wildere Viecher zähmen, diese im Kampf oder sogar als reittier nutzen. Echt cool, wenn man einem Säbelzahntiger, der zuvor dutzende Gegner ins Nirvana befördert hat ein Leckerchen verabreicht. Dr. Doolittle trifft Dr. Doom… oder so. Eine weise Eule ist ebenfalls in unserem Repertoire, mit diese können wir feindliche Stellungen auskundschaften, Ziele markieren oder Bomben auf Halunken regnen lassen – knorke. Mir gefällt dieses animalische Element ausgesprochen gut und lässt mich bei Spielen wie GTA einen gehorsamen Leoparden vermissen.
Derart unterstützt bauen wir unsere neue Community auf, werten Hütten auf, verbessern unser Inventar und erarbeiten uns neue Fähigkeiten. Unterwegs sammeln wir Steine, Hölzer, Pflanzen und Felle auf um neue Waffen zu schmieden und uns Heiltränke zu köcheln, ein bisschen Rollenspiel ist also auch mit drin. Die übersichtliche Karte zeigt uns interessante Orte und geheimnissvolle Höhlen an, die wir optional erkunden können um praktischen Krempel oder Achievements abzustauben. Das Ganze ist nicht neu, die Ubisoft-Formel funktioniert hier aber tadellos.
Die Hauptstory mit seinen zotteligen, ungewaschenen Protagonisten ist mal was anderes, durchweg interessant erzählt und spannend präsentiert. Einige Nebenmissionen können zwar etwas eintönig sein, aber die lebhafte Spielwelt und das Gefühl Einfluss auf seine Umgebung zu haben sind echt gut gelungen. Wer Spaß am Aufleveln, Basteln und Finden bestimmter Zutaten hat, kann auch ohne Story viel Spaß und Action in der primitiven Welt von Far Cry Primal haben.
Auch die serientypischen Halluzinationen sind wieder mit von der Partie. Waren es in den Vorgängern noch Drogentrips, schlürfen wir nun beim hauseigenen Schamanen Tensay ein Zaubersüppchen und übernehmen geistesabwesend die Kontrolle über legendäre Tiere der primitiven Sagenwelt. Das bietet ein wenig Abwechslung vom Jagen und Sammeln und erlaubt es uns, nach und nach mehr der wilden Bestien zur eigenen Benutzung zu zähmen. Praktisch UND umweltfreundlich!
Technisch ist das Spiel gut. Bei Einbruch der Nacht, wenn der Mond durch die nebligen Wälder scheint ist die Optik beeindruckend, wenn man sich an unscharf texturierten Ranken an groben Felswänden emporhangelt nicht ganz so. Die allgemeine Performance ist gut, alles läuft meist flüssig, ein technischer Überhammer ist diese Zeitreise aber nicht geworden. Das schöne Fell der Tiere, die hübschen Feuer und Lichteffekte machen hingegen echt was her. Die Soundkulisse ist grandios; Geräusche in der Distanz, knurrende Raubtiere und knisternde Lagerfeuer – das akkustische Ambiente ist perfekt. Die fürs Spiel entwickelte Sprache ist ebenfalls sehr nett und sorgen für eine glaubhafte Spielwelt 10.000 Jahre vor Christus.
Es wird gefummelt!
Lediglich das leidliche Thema der Mehrfachbelegung einzelner Tasten ist hier mal wieder ein kleines Hindernis. Wenn wir unter Beschuss stehen und mit dem selben Knopf die Waffe wechseln und bei Gedrückthalten heilen sollen, sorgt das manchmal für etwas Ärger. Auch wenn wir eine Leiche ausrauben wollen und sich unser domestiziertes Fellknäuel dazwischen stellt ist nicht optimal, denn statt zu looten füttern wir unser braves Tierchen. Aber gut, der Controller hat nunmal keine dreißig Knöppe.
Far Cry Primal ist Ubisoft in Topform. Die steinzeitliche Umgebung ist erfrischend, lebendig und macht Spaß. Die Action ist gut, auch wenn die First Person Klopperei manchmal etwas ungenau wirkt. Upgraden und Aufleveln machen so süchtig wie eh und je und die haarigen Fortbewegungsmittel mit Fangzähnen sind echt bolle. Was soll ich sagen, mir hat’s Bock gemacht, sogar mehr als ich zu Beginn erwartet hatte. Wenn du dich auch mal mit Keule und Langbogen auf die Jagd nach Mammuts begeben und unterwegs unzähligen Krimskrams einsammeln willst, kannst du es deutlich schlechter treffen als Far Cry Primal. Ich persönlich finde den Titel auch eigenständig genug um ohne den Namen „Far Cry“ auszukommen, aber naja, Hauptsache spaßig!
Yabba Dabba Doo!
Erfrischendes Setting
Dichte Atmosphäre
Zähmbare Raubtierchen
Viel spielerische Freiheit
Glaubhafte Spielwelt
Technisch manchal mittelprächtig
Fummelige Mehrfachbelegung der Tasten
Kämpfe in der Ego-Ansicht oft ungenau
Prähistorische Open World Action mit viel Charmeund eigener identität. Macht Laune!