Ein moderner Klassiker
Ab und zu kommen Spiele um die Ecke, um die ein Riesenwirbel gemacht wird. Seht her, wie doll die Grafik und wie originell die Spielwelt ist. Dieser Exklusivtitel zeigt die ungezügelte Power unserer Hardware, ist etwas völlig Neues und so weiter und so fort. Während Spiele wie “Quantum Break” und “The Last Guardian” nicht Jedermanns Geschmack waren, sollte der erste Open World Titel der “Killzone”-Macher auf voller Linie überzeugen. Aber klingt Ressourcen sammeln und in einer postapokalyptischen Welt zwischen Lagerfeuern umher reisen wirklich nach etwas revolutionär Neuem?
Wir beginnen unsere Reise in den Kinderschuhen der kleinen, rothaarigen Aloy. Diese kleine Überlebenskünstlerin durchstreift zusammen mit ihrem Vater Rost die freie Natur, die nicht nur von Menschen und Tieren, sondern auch von riesigen Robotern bevölkert wird. Leider sind die beiden Ausgestoßene, dürfen also von keinem der drei Stämme Hilfe erwarten. Weder die Nora, die Carja, noch die Oseram (nicht “Osram”, das ist ne Glühbirne) dürfen Kontakt zu den Geächteten aufnehmen, was die kleine Abenteuerin nicht versteht. Als wäre das Überleben nicht schon schwer genug.
Hinter dem Horizont
Die meisten Maschinenwesen gehen, wenn unbehelligt relativ friedlich ihrem Treiben nach. Sie graben, suchen Ressourcen und scheinen ihnen zugedachte Aufgaben zu erfüllen. Viele Jahre lang existierten Menschen und Roboter recht friedlich miteinander. Doch seit einiger Zeit scheinen einige von ihnen aggressiver geworden zu sein, angriffslustig und hinterhältig. Dieses Phänomen macht vielen Menschen Angst vor der dominierenden, künstlichen Lebensform.
Beim Erkunden fällt die junge Aloy eines Tages versehentlich in einen alten Bunker, der von den “Alten” erbaut wurde. Diese technisierten Vorfahren der wilden Völker, die neben den Maschinen auch andere elektronischen Artefakte hinterließen, verschwanden vor Ewigkeiten auf mysteriöse Weise. Und genau eines dieser Wunderwerke findet das neugierige Mädel im Schädel einer verwesten Leiche, eine Art Ohrstecker. Ohne zu zögern probiert sie den geheimnisvollen Gegenstand aus, der es ihr ermöglicht, die Umgebung, Lebewesen und Objekte zu scannen, Türen und Schalter zu betätigen und Dinge zu hören, die wie Zauberei wirken. Dieser “Fokus” und das Training mit Rost helfen ihr über die Jahre dabei, eine exzellente Jägerin und erfahrene Trankbrauerin zu werden. Überleben ist das tägliche Brot.
Um als Erwachsene endlich Teil der Gesellschaft werden zu können und das einsame Leben eines Aussätzigen hinter sich zu lassen, nimmt Aloy an einem Ritual teil, bei dem sich junge Jäger beweisen müssen. Belächelt von ihren Mitstreitern, schlägt sich die Mauerblume ganz ordentlich und gewinnt nach und nach den Respekt des Stammes. Doch plötzlich geraten die Kontrahenten in einen blutigen Hinterhalt von gewalttätigen Kultisten, der viele Menschenleben fordert. Diese gut organisierte Bande trägt ebenfalls diese dubiosen Fokus-Geräte im Ohr und kommunizieren offenbar mit einem gefährlichen Hintermann. Was hat das zu bedeuten, woher haben die Schurken diese Technologie und hat all das etwas mit der steigenden Aggressivität der Maschinen zu tun?
Diese und viele weitere Fragen beschäftigten mich beim Erkunden der lebendigen Spielwelt. Was ist aus der technisierten Gesellschaft geworden? Haben die Maschinen uns in bester “Terminator”-Manier an den Rand der Ausrottung getrieben? Wer baut die Wesen und was ist ihr Zweck? Und Aloy, wer ist sie und wer waren ihre Vorfahren?
Wer nicht fragt, bleibt dumm
Mit all diesen Fragen im Hinterkopf machen wir uns nun auf die Reise um zu erkunden, was es mit dem fiesen Kult auf sich hat und wir widmen uns unseren eigenen Wurzeln, denn Aloy ist nicht einfach eine Überlebende, wie jede Andere. Viele Ereignisse, Wendungen und dramatische Momente später sind wir in vielen Belangen weiser, verstehen die Welt besser und freuen uns über eine sehr befriedigende Story in einem spannend erzählten Videospiel. Tolle Charaktere, dreidimensionale Typen mit Ecken und Kanten, die glaubhafte und manchmal beeindruckend menschliche Dialoge führen. Die Holländer von Guerilla Games haben hier eine wirklich super gelungene Endzeit-Geschichte abgeliefert, die vielen Filmen und Büchern des Genres etwas vormacht. Immer wieder finden wir Aufnahmen und Hologramme, die von der untergegangenen Welt berichten und die Geschehnisse erläutern, die zum Ende geführt haben. Man bekommt nicht nur Cutscenes und Dialoge vorgesetzt, sondern kann sich, ähnlich wie bei “Bioshock” optional tiefer in die Materie herein knien, falls man es möchte. Eine sehr angenehme Art des Geschichtenerzählens. Herausragend.
Eine der größten Stärken von “Horizon Zero Dawn” ist aber die schlichtweg beeindruckende Spielwelt. Groß, abwechslungsreich und (im Gegensatz zu viiielen anderen Spielen mit offener Welt) lebendig. Hier wird nicht mit schierer Größe, irgendeiner Quadratmeterzahl angegeben, nein, die riesige Map wurde mit allerlei interessantem Krempel gefüllt. Von unzähligen Sammel und Fetchquests einmal angesehen, können wir bei Jagden mitmachen, antike Stätten durchstöbern und feindliche Stellungen einnehmen. Dabi gilt es immer die vielen Reviere der verschiedenen Stahlviecher im Auge zu behalten.
Die meisten ähneln in Optik und Verhalten echten Tieren, wie Hirschen, Stieren oder sogar Giraffen. Sind ihre Augen blau, sind sich unserer Anwesenheit nicht bewusst und entsprechend relaxt. Werden wir aber entdeckt, färbt sich die Lichtfarbe rot und wir werden mal mehr, mal wenige heftig attackiert. Einige rammen uns frontal, andere versuchen uns einzukreisen, andere wiederum flüchten um uns aus der Distanz zu beäugen. Beeindruckend wie glaubhaft diese Blechdosen Tierverhalten imitieren. Einige werden sogar von kleinen, bissigen Aufpassern begleitet, die ein wenig wie die Raptoren aus dem Jurassic Park wirken. Diese werden nur in großer Anzahl gefährlich, was bei großen Raubvögeln und gigantischen Killermaschinen nicht der Fall ist. Diese können uns bei unachtsamem Vorgehen schnell das Lebenslicht ausblasen. Daher heißt es; immer genügend Vorrate einpacken. Zusätzlich können wir neue Waffen und Munition frei schalten, Rüstungen kaufen und alles mit Verbesserungen aufwerten. Legt man mehr Wert auf Schutz vor Nahkampfwaffen oder Beschuss von Pfeilen. Das liegt alles bei euch.
Wie in jedem guten Action-Adventure entdecken wir ständig neue Lagerfeuer, zwischen denen wir mittels Reisegepäck schnell umher reisen dürfen. (Hier bietet sich das goldene an, das sich nicht abnutzt und das es bei vielen Händlern zu kaufen gibt, dann müsst ihr nicht jedes mal neue kaufen). Wir leveln auf, verbessern unsere Fähigkeiten und lernen neue Angriffe und schalten weitere Upgrades frei. Nach und nach werden wir zum echten Krieger und treten tierisch Metallarsch. Gameplaytechnisch ist hier nicht viel neues, aber die klassischen Open World Tugenden, die zuletzt von Ubisoft mehr schlecht als recht implementiert wurden, verbinden sich hier zu einem wirklich gelungenen Spiel. Nichts zu meckern.
Hammer!
Was ebenfalls nicht zu verachten ist, ist die geniale Optik. Die Grafik ist der Hammer. So viele Details, überall gibt es was zu sehen. Die virtuelle Flora und Fauna beeindruckt mit voll gepflanzten Wälder und dicht bewachsenen Wiesen. Überall wehen schier unendliche Blätter und Sträucher im Wind. In den trockenen Gefilden hingegen kann man beinahe den Sand zwischen den Zehen fühlen. Obendrein gibt es einen hervorragenden, dynamischen Wetterwechsel. Mal brennt uns die Sonne auf den Pelz, ein anderes Mal regnet es wie aus Eimern. Hier zeigt sich Next Gen mal wieder von ihrer beeindruckenden Seite. Stimmungsvolle Beleuchtung, tolle Unschärfeeffekte und alles in flüssiger Bildabfolge. Spitzestens. Auch die liebevoll gestalteten Charaktere sind ein Hingucker. Jeder noch so kleine NPC wirkt glaubhaft und im Rahmen der Welt real. Einige Gesichter sind zwar manchmal etwas wachsartig oder steif animiert, aber das trübt den Gesamteindruck keinesfalls. das ist Meckern auf Spitzenniveau!
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Die Vertonung braucht sich ebenfalls nicht zu verstecken. Die Musik ist atmosphärisch und hält sich meist angenehm zurück. In Gefechten legt die Orchestrierung dann richtig los und scheppert uns Action-Mukke um die Ohren, die sich gewaschen hat. Der gut abgemischte Surroundsound und die vielen kleinen, akustischen Feinheiten; vom Rauschen der Bäume bis hin zum Grunzen der Wildschweinchen sind sehr gut und machen die virtuelle Welt noch spürbarer. Lediglich die teilweise schwachen deutschen Sprecher sind ein Haar in der Tonsuppe, daher empfehle ich die englische Originalvertonung. Technisch ist “Horizon Zero Dawn” also ganz, ganz großes Kino.
Auszusetzen habe ich so gut wie nichts. Hier stimmt das Gesamtpacket auf einem derart hohen Niveau, dass ich meinen Hut vor den Machern ziehen muss. Man hat das Rad nicht neu erfunden, aber alles richtig gemacht und obendrein noch neue Maßstäbe für aktuelle Grafikstandards auf Konsolen gesetzt. Dieses Spiel gehört in jede Playstationsammlung und ist (für mich) ein Kaufgrund für eine PS4. Eine neue Spielemarke, die keine Fortsetzung, Prequel oder Remake ist, kommt eh nicht alle Tage daher. Erst recht keine, die aus dem Stand alles derart richtig macht. Allein dafür sollte man den Verantwortlichen danken und es honorieren. Zwischen all den endlosen Multiplayer-Shootern ist “Horizon Zero Dawn” eine echte Perle. Mir hat Eloy’s Abenteuer ausgesprochen viel Spaß gemacht.
Und jetzt: Spielen!
Lebendige, tolle Spielwelt
Tolle Geschichte
Sympathische Heldin
Glaubwürdige Figuren
Bombastische Action
Grandiose Technik
Schwache deutsche Synchro
Brillantes Spiel mit ebenso brillanter Technik. Pflichttitel!
“Horizon Zero Dawn” verdient mein…