Playstation VR ist nun seit über einer Woche im Handel… ist die virtuelle Realität nun gelungen,
die Zukunft des Gamings oder doch nur eine Modeerscheinung? Ist dieses “VR” am Ende doch nur…
Spätestens seit ich die Oculus Rift damals auf der Gamescom in Aktion gesehen habe, war ich angefixt. Virtuelle Welten, die dem Gehirn eine neue Realität vorgaukeln… super! Futuristische Filme wie Stephen King’s Rasenmähermann, Disney’s Tron und im weitesten Sinne sogar Matrix beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit dem Thema und ließen technikinteressierte Teenager immer von derartigen Möglichkeiten träumen. Und nun ist dieser Traum, nach gefühlten Ewigkeiten endlich in greifbare Nähe gerückt und die ersten Schritte in eine revolutionäre Zukunft getan. Oder?
Eine Revolution ist VR nicht. Oder zumindest NOCH nicht. Wir erleben gerade die ersten Gehversuche in einem neuen Medium, bei denen in nächster Zeit viel Aufregendes, aber auch viel Schrott zu erwarten sein wird. Die ersten Spiele versuchen momentan, die neue Technik sinnvoll ins Gameplay zu integrieren. Manche, wie der Block-Puzzler “Tumble” lassen uns in einer ruhigen Umgebung mit Würfeln hantieren, was sehr angenehm, nicht anstrengend und auch für Zocker mit Hang zur Motion-Sickness gut spielbar ist. Wir befinden uns gerade als Versuchskaninchen in einer Testphase, in der Entwickler, Publisher und Gamer erst herausfinden müssen was geht, was Sinn und Spaß macht.
Wo sind meine Hände?
Die meisten Titel funktionieren aber aus der Cockpit-Perspektive. Statt einen Wagen, ein Raumschiff oder einen Roboter aus der Ego-Perspektive zu steuern, sitzen wir als Fahrer oder Pilot im digitalen Cockpit und steuern besagtes Fortbewegungsmittel, während wir uns im beengten Raum frei umsehen können. Dies ist eine logische Schlussfolgerung für den Sprung in die virtuelle Realität, sorgt aber durch etablierte Steuermethoden wie Steuerung links und Sicht auf dem rechten Stick bei vielen für ein leichtes Unwohlsein. Ich hatte kürzlich die Möglichkeit “Driveclub VR” mit Brille, Lenkrad und Pedalen spielen zu können und muss sagen, dass die Tatsache ein echtes Lenkrad in den Händen zu halten, bereits zu einer Reduzierung der Mulmigkeit geführt hat. Vielleicht sorgen tatsächlich nicht nur die schnellen Bewegungen und auftretende Zeitverzögerung bei eben solchen für Schwindel und Übelkeit, sondern auch die widersprüchlichen Infos, die das Gehirn verarbeiten muss. Ich sehe zwar virtuelle Hände, die in einem virtuellen Raumschiff virtuelle Steuerknüppel umfassen, doch meine Hände bedienen einen mir nicht sichtbaren Dualshock. Da streiken die Synapsen manchmal.
Die Steuerungsmöglichkeiten mit Move-Controllern, Gamepads und ähnlichen Eingabegeräten funktioniert zwar ziemlich gut, die Erkennung durch die Playstationkamera lässt bei richtiger Optimierung kaum Raum zur Kritik, doch erst Handschuh-ähnliche Aparillos werden eines Tages die Illusion perfekt machen. Wenn wir unsere echten, falschen Hände in einem virtuellen Raum sehen und damit herumfuchteln können, wird das dem Medium nochmal einen gewaltigen Schubs verpassen.
Technisch ist die Sony-Brille toll.Die Auflösung mit 960×1080 pro Auge ist nicht übermäßig hoch uns sorgt oft für etwas weiche Texturen, doch trübt das im Spielgeschehen nie wirklich den Eindruck einer phantastischen Polygon-Welt. Nach ein wenig Feintuning was Helligkeit, Augenabstand und Tracking angeht, funktioniert die Brille, die eigentlich mehr wie ein Helm anmutet einwandfrei. Ich habe außer bei Reflektionen und schlechter Ausleuchtung im Wohnzimmer nie wirklich Probleme mit der Erkennung der blauen Trackingleuchten gehabt und daher auch nie schwerwiegenden Zeitversatz, sogenannten Lag verspürt. Zu einem Preis, der gut die Hälfte der Konkurrenzprodukte kostet ein echt beeindruckendes Stück Technikpower.
Von dem gigantischen Kabelsalat einmal abgesehen, ist PS VR sehr praktikabel. Die Brille sitzt nicht auf der Nase auf, sondern wird wie ein starres Schweißband um die Stirn herum montiert, was es auch Brillenträgern möglich macht, VR nicht verschwommen genießen zu müssen. Der Abstand zu den Augen lässt sich durch Verschieben des Frontteils angenehm justieren und nach einer kleinen Eingewöhnungsphase bemerkt man diese futuristische Kopfbedeckung kaum noch, was auch am bemerkenswert geringen Eigengewicht liegt.
Lediglich bei Zockern, die zum Transpirieren neigen weist das durch Gummiklappen lichtdicht abgeschottete Brillchen einen Nachteil auf – es wird warm unter der Haube. Mit beschlagenen Linsen lässt es sich nicht nur schwer daddeln, unbewußt neigt man auch zu vermehrtem Blinzeln, weil man oft denkt, man habe was im Auge. Ein etwas weiter geöffneter Abstand, der für bessere Belüftung sorgt oder der alte Speicheltrick von Schnorcheln vor Teneriffa wirken auch hier Wunder. Jedoch rate ich nur Brillenträgern zum besagten Tipp für Taucherbrillen, denn man will ja nicht seine vierhundert Euro Technik vollsabbeln, oder?
Mittendrin, statt nur dabei!
Wenn bei all der Hampelei einmal das Bild verschoben scheint, kann man dieses jederzeit durch gedrückthalten der OPTION-Taste neu ausrichten. Was sowohl beim Spielen im Sitzen, als auch im Stehen sinnvoll ist. Die guten alten Move-Controller der ollen PS3 kommen überraschenderweise wieder zum Einsatz. Was mich ehrlich gesagt wundert, da Sony hier neu designte Updates hätten verkloppen können, doch nehmen wir diese freundliche Abwärtskompatibelität einmal dankend an. Diese Bewegungssteuerung macht viele Erlebnisse deutlcih realer und weniger “gamig”. Wenn wir bei Tomb Raider beispielsweise einen Gegenstand aufheben und uns durch eine Handbewegung vor unsere Nase halten, ohne nur Knöppe auf nem Pad zu drücken. Aktiv statt Passiv!
Was mindestens genauso interessant ist, wie neue Spieleerfahrungen, sind die die neuen Möglichkeiten für Geschichtenerzähler. Virtuelle Filme, die wie ein Theaterstück vor unserer Nase ablaufen und sogar Interaktion von uns erlauben oder erwünschen. Eine der Gratis-Erlebnisse im Playstation Network ist der virtuelle Kurzfilm “Allumette” der kalifornischen Penrose Studios. Diese Neuinterpretation des berühmten Märchens “Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern” von Hans Christian Andersen läuft wie auf einer kleinen, dreidimensionalen Bühne vor unseren Augen ab. Die einzelnen Szenen werden uns ohne Schnitt präsentiert, wir können uns umsehen, Dinge aus der Nähe betrachten und sogar in ein kleines fliegendes Luftschiff reinschauen. Unaufgeregt und süß wird die traurige Geschichte im Stop-Motion-Comicstil dargestellt und ist in ihrer Art etwas völlig Neues. So habe ich noch keinen “Film” erlebt. Echt toll. Und das ist erst der Anfang, hier wird es in naher Zukunft Grandioses geben, hoffe ich… nicht bloß Schweinkram!
Meine Erfahrungen und ersten Fazits zu den Launchspielen könnten unterschiedlicher nicht sein; ruhige Spiele, bei denen man rumsitzt, rumsteht oder passiv in einer Achterbahn umhergefahren wird, machen mir viel Spaß und sind nicht anstrengend. Daher kann ich Spiele, wie “VR Worlds”, “Tumble”, “Batman VR” und “Until Dawn: Rush of Blood” auch für empfindliche Mägelchen empfehlen. Hektischere Action, wie bei “RIGS”, “Battle Zone” oder auch “Driveclub VR” erfordern etwas mehr Gewöhnung und sollten langsam angegangen werden. Generell gilt: Bei Kopfschmerzen, Orientierungsproblemen und erst recht bei Übelkeit sollte man SOFORT eine Pause einlegen und sich ausruhen. Das Gehirn muss diesen Technik-Firlefanz erst verarbeiten.
Die neuen Möglichkeiten sind unendlich; Spiele, Filme, Dokumentationen, Konzerte, Live-Übertragungen, Telefonie, Reisevideos… eine aufregende Aussicht. Was sich aber durchsetzen und erfolgreich sein wird, wird die Zeit zeigen. Erlebnisse wie “VR Worlds”, der albern-spaßige “Job Simulator”, “Alumette” oder 360 Grad Fotos und Videos diverser Apps, dieses Medium hat Potential und bietet jetzt bereits gute Unterhaltung. Normalerweise bin ich bei solchen neuen Spielereien etwas skeptisch, auch weil gute Innovationen in der Vergangenheit leider zu oft zu ungenutzten Gimmicks verkommen sind, doch in diesem Fall bin ich optimistisch. Ich drücke die virtuellen Daumen und freue mich auf viele weitere Erfahrungen in der virtuellen Realität.
HIER gibt es ein paar Gameplayvideos zu Sony’s VR Brille und HIER einen Test zu “The London Heist”.