WWG – Ungesüßter Kulturschock!

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Ungesüßter Kulturschock!

Kulturelle Unterschiede können auch im Videospiel das Salz in der multikulturellen Suppe sein oder einem diese gehörig versalzen. Vor allem Telespiele aus dem asiatischen Raum können uns westlichen Langnasen oft schräg vorkommen und manche Designentscheidung sogar derart befremdlich wirken, dass wir die Spielewelt nicht mehr verstehen.

Aber ticken die Spieldesign-Uhren im Lande der Pokemon und süßsauren Nudeln wirklich derart anders? Die Antwort lautet: Ja. Steife Menüführung oder unflexible Speichersysteme sind zwar oft und gerne gesehen aber wohl kaum als kultureller Unterschied zu klassifizieren. Genauso wenig wie der oftmals höhere Schwierigkeitsgrad, vor allem bei älteren Titeln. Was aber durchaus als lokale Eigenart Einzug in die Mentalität der Spieleentwicklung in Japan fand, ist der Gedanke, dem Kunden etwas vorzusetzen, das so wie es ist durchdacht ist und keiner weiteren Veränderung bedarf. Das genau so sein soll und nicht durch Bedürfnisse und Vorstellungen des Endnutzers, der er glaubt haben zu müssen verwässert ist.

Diesen Anstoß gab Sheena Iyengar, Psychologieprofessorin an der Columbia Busines School und Expertin für Entscheidungstheorie. Ihrer Erfahrung nach, ist es Teil der japanischen Mentalität, stolz und selbstbewusst mit den eigenen Kreationen umzugehen, sogar wenn diese einem gerade anhaltenden Trend widersprechen. Sie bestellte in einem Restaurant in Japan einst einen grünen Tee und bat um etwas Zucker zur Süßung. Doch die Kellner verneinten ihre Bitte mit der Anmerkung, man mache keinen Zucker in grünen Tee. Auf ihr Nachfragen entgegnete man ihr, es sei gar kein Zucker im Hause. Doch als sie eine Tasse Kaffee bestellte, reichte man ihr wie selbsverständlich das gefragte Süßungsmittel. Okay, so weit, so gut.

Ist das jetzt Bevormundung oder wollen die Gastronomen nur sicherstellen, dass ein Gericht unverfälscht den Gaumen des Gastes bezirzt, ohne dass der ungebildete Pöbel ihn mit Ketchup, Salz oder Zucker versaut. Würde sonst der Ruf des Etablissements leiden, wenn sich rumspräche, dass der Tee ekelhäft klebrig sei oder das Sushiröllchen in Senf bade? Laut Iyengar ist der einfache, wohlgemeinte Gedanke dahinter, dass die Macher eines Produktes dies mit Sorgfalt und Stolz zubereiten und sie meinen, das es so und nicht anders konsumiert werden sollte. So hat das Produkt zu sein, in seiner gedacchten Reinform. Aus Erfahrung wisse man es einfach besser, daher müsse man dem Erzeuger einfach mal vertrauen und sich darauf einlassen. Klingt interessant und auf typische Japanoart mal wieder unverschämt höflich.

Einer der wenigen Westler, der bei Nintendo’s Kyoto Studio arbeitet ist Jordan Amaro. Seine Erfahrungen sind ähnlich und in Bezug auf Iyengars Beobachtungen schrieb er jüngst, dass dieses Denken auch auf die Spielebranche zuträfe. Einer der Gründe warum Splatoon 2, der Switch-Hit an dem er gerade mitarbeitet dem Spieler so viel vorschreibt, sei der, dass die Entwickler der Meinung sind, dass alle Komponenten so am besten funktionieren.

Die Maps des Multiplayers rotieren nur alle paar Stunden und der neue Modus “Salmon Run” ist nur dann verfügbar, wenn Splatoon 2 es möchte. Als Spieler hat man darauf keinerlei Einfluss, was mancherorts zu Gedanken führt, wie “Fuck! Ich hab teures Geld bezahlt und will auf die Inhalte so zugreifen, wie ich es möchte. Ich kann meinen Tagesablauf und meine Daddelzeiten doch nicht den Launen eines Videospiels anpassen!” Nicht ganz zu unrecht.

Doch die Macher sehen das anders. Nur weil wir ihr Spiel gekauft haben, gehört es uns noch lange nicht. Sie sind die virtuellen Regisseure, die Mütter und Väter, die uns das zu geben hoffen, was wir brauchen, nicht was wir nach außen hin wollen. Die Maprotation soll es dem Spieler erlauben, sich mit den Karten besser vertraut zu machen und so durch Routine ein schnellers Gameplay gewährleistet wird. Mag sein, dass dies tatsächlich so besser funktioniert, mancher Gamer fühlt sich aber trotzdem einfach gegängelt und bevormundet.

Trotzdem kann ich die Sichtweise der Verantwortlichen durchaus nachvollziehen. Sind die Spiele doch ihre Verantwortung und möchten sie uns doch ein Erlebnis bieten, das so gut ist wie möglich und ihren Vorstellungen und Konzepten entspricht. Nicht dem, was jeder Gamer sich angesichts der Screenshots vorzustellen glaubt. Vielleicht sollten wir, statt uns zu ärgern oder verwundert am Kopf zu kratzen einfach mal fallen lassen. Uns vorher schlau machen, ob es unseren Ansprüchen genügt und Vorstellungen entspricht und den Machern dahinter einfach mal vertrauen und abwarten, ob besagte Beschränkungen und Restriktionen nicht am Ende zu einem besseren Erlebnis geführt und die Spielerfahrung bereichert haben. Und wenn nicht, wenn uns Konzepte bereits im Vorfeld abschrecken (so wie mich fragile Waffen), dann können wir immer noch einen großen Bogen um das ein oder andere Spiel machen. Das ist dann schließlich unsere Entscheidung.

Auf die Freiheit!

OlliSignatur-1